Lebenshilfe Nienburg unterstützt 50 Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung
In den 1980er Jahren war „Rain Man“ ein Kino-Welthit. Viele Menschen kamen durch diesen Film zum ersten Mal mit dem Thema „Autismus“ in Berührung. Doch in Wahrheit sind die Ausformungen dieser Entwicklungsstörung viel komplexer als im Film dargestellt. Jeder Mensch mit einer Autismus-Spektrum-Störung braucht individuelle Unterstützung. Die Lebenshilfe Nienburg gilt in diesem Bereich seit Jahren als Kompetenzträger.
Kern- und Anlaufpunkt dazu ist die bei den Offenen Hilfen der Lebenshilfe angesiedelte Autismus-Ambulanz unter Leitung von Maren Woitschig: „Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung haben häufig besondere Stärken: Sie sind zum Beispiel wahrheitsliebend, sehr präzise, sie überlegen gründlich, bevor sie Entscheidungen treffen, denken eher unkonventionell, haben Freude am Lernen und häufig ein starkes Bewusstsein für Recht und Gerechtigkeit. Sie sind sehr zuverlässig, überzeugen durch ihre Beständigkeit. Sie haben eine gute Beobachtungsgabe und geben das von ihnen wahrgenommene in sachlicher Form weiter“, sagt die Fachfrau.
Allerdings gehen diese besonderen Stärken auch mit Schwächen einher, die das Leben für die Betroffenen, aber auch für ihr Umfeld nicht einfach machen: „Ein Mensch, der sehr logisch denkt und systematisch handelt, wirkt auf den ersten Blick unflexibel und wenig empathisch. Informationen, die sachlich korrekt weitergegeben werden, können den Empfänger verletzen.“ Anders gesagt: Menschen mit Autismus und „neurotypische“ – also nicht-autistische – Menschen nehmen ihre Umwelt unterschiedlich wahr. Das erschwert die Kommunikation – für beide Seiten, denn viele Menschen mit einer Autismus-Störung leiden erheblich unter dem Gefühl, missverstanden oder bedrängt zu werden.
Autismus-Ambulanz
Die Autismus-Ambulanz der Lebenshilfe Nienburg betreut kreisweit rund 50 Menschen jeden Alters. „Mit unseren Angeboten unterstützen wir die Menschen mit Autismus, deren Familien und das soziale Umfeld dabei, das ,anders sein’ zu verstehen. Wir erarbeiten gemeinsam ein Modell, das für alle Seiten Erleichterung schafft und ein möglichst reibungsloses Miteinander bewirkt“, beschreibt Maren Woitschig ihre Arbeit.
Mit der richtigen Begleitung können Betroffene aber lernen, Defizite auszugleichen und ihre Stärken zu nutzen. Ein Beispiel liefert Daniel Griese: Mit Unterstützung der Autismus-Ambulanz fand der junge Mann nach dem Realschulabschluss bei einem Nienburger Elektro-Unternehmen die passende Lehrstelle.
„Wir haben gemeinsam geguckt, welche Arbeit Herrn Griese Spaß machen würde und welche Betriebe dafür in Frage kämen“, sagt Maren Woitschig. Sie half Daniel Griese beim Schreiben der Bewerbung und besuchte während der Ausbildung regelmäßig das Unternehmen: „Es ging vor allem darum, für autismusspezifische Besonderheiten zu sensibilisieren, um ein reibungsloses Miteinander im betrieblichen Alltag zu gewährleisten“, berichtet die Einrichtungsleiterin. Und dieses Ziel wurde erreicht: Daniel Griese hat seinen Arbeitgeber so überzeugt, dass er ein Übernahmeangebot als Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik bekam.
Das Angebot zur Festanstellung ist ohne Zweifel ein Erfolg. Doch geht es nicht darum, jeden Menschen mit Autismus in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren, stellt Maren Woitschig klar: „Im Mittelpunkt steht immer der Mensch. Unsere Unterstützung ist individuell zugeschnitten und das heißt eben auch, dass wir gemeinsam gucken: Welcher Arbeitsplatz in welchem Arbeitsumfeld macht am meisten Sinn?“ Denn der eigene Job hebt nicht nur das Selbstwertgefühl; er ist auch entscheidend für das Ziel der sozialen Teilhabe.
Elterntreff “Autismus”
jeden 1. Donnerstag im Monat
19 bis 21 Uhr
LebensPunkt, Lange Str. 9, Nienburg